EINZELPROJEKTE / EMANUEL MATHIAS
Die Primatologin/ Entscheidung für eine angemessene Entfernung
Emanuel Mathias
»Es gibt eine Perspektivität und Parteilichkeit von Wissen.[...] Man muss weg von einer Universalsprache
oder auch einen zentral-perspektivischen Standpunkt, hin zu einem Standpunktgeflecht, welches
unterschiedliche Arten der Übersetzung beinhaltet.« (aus Donna Haraway, Die Neuerfindung der Natur:
1995: 95)
Die künstlerische Arbeit Die Primatologin/ Entscheidung für eine angemessene Entfernung beschäftigt
sich mit dem Nähe-Distanzverhältnis von VerhaltensforscherInnen in der Primatologie. In der Untersuchung
und Aneignung wissenschaftlicher Methoden, wie die des Beobachtens von Verhaltensweisen im freien Feld
(Natur, Dschungel) sowie in der Recherche in den persönlichen Archiven von Primatologen soll der sonst
unsichtbare Beobachter (Forschende), wie auch der Beobachter des Beobachteten (Künstler) in den
Mittelpunkt des Interesses gerückt werden. Dabei geht es um eine erweiterte Nutzung und Neuinterpretation
von wissenschaftlichen Datenmaterial in einem künstlerischen Kontext, bei dem der Fokus auf der
Darstellung des Forschens als einen stark subjektiven Vorgang liegt. Gleichzeitig werden die individuellen
Wahrnehmungsvorgänge im Feld in einer filmischen, multiperspektivischen Herangehensweise erfahrbar
gemacht. Ziel ist es in der Rekonstruktion des komplexen Geflechtes von Bedingungen der beobachtenden
Forschung ein fiktives Portrait einer realen Figur, die der Primatologin, zu kreieren. Anhand einer
raumgreifenden multimediale Installation für einem Ausstellungsraum werden die verschiedenen
textbasierten, auditiven und visuellen Perspektiven in einem korrespondierenden Charakter zu einander
gesetzt und sollen den Besucher eine neue Form der Wahrnehmung von Forschung ermöglichen.
Das Projekt unterteilt sich in zwei Teilbereiche: Arbeit am Material - und Arbeit im Feld . Ausgehend vom
einer Recherche in den persönlichen Archiven von Primatologen geht es in Arbeit am Material darum den
Forscher als Individuum in seinem Forschungsmaterial sichtbar zu machen. So beschäftigt sich die
fotografische Arbeit „homes and offices“ mit Privaträumen und Arbeitsräumen von Affenforschern, in denen
die Interieurs Rückbezüge auf das Verhältnis von Privatheit und Beruf geben. In einem weiteren Ansatz, den
sogenannten „family trees“ geht es um die individuelle Namensgebung von Affen im Forschungskontext, bei
dem persönliche Bezüge zum Forschenden selbst sichtbar werden. Die dritte Arbeit mit dem Arbeitstitel
„narratives“ thematisiert das anekdotische Erzählen von Erfahrungen im Feld, bei dem sich Faktisches und
Literarisches vermischen.
Beim zweiten Teil Arbeit im Feld wurde ein Forschunsgprojekt von Primatologen und Ethnologen nach
Indonesien begleitet. In der Beobachtung des Beobachters wurden die Forscher selbst zum
Untersuchungsobjekt, anhand dessen der Frage nachgegangen werden sollte, inwieweit ein komplexer
Forschungsprozess im Feld mit künstlerischen Mitteln sichtbar gemacht werden kann. Hauptthese der Arbeit
ist, dass in der filmischen Wiederherstellung einer beobachteten Situation in Form einer synchronisierten,
zeitgleichen Darstellung verschiedener Blickwinkel auf das selbe Ereignis eine neue Form der
Wahrnehmung entsteht, in der sich die Hierarchie zwischen Beobachter und dem Beobachteten auflöst.
Neben der Verwendung des synchronisierten Filmmaterials werden auch Notizen aus den Feldtagebüchern
der Forscher und Originalfilmmaterial eines Dokumentarfilmes über die Primatologin Birute Galdika von 1970
verwendet werden. Denn es ist kein Zufall dass die drei wichtigsten PrimatologeInnen, die die drei großen
Menschenaffen in den 70er Jahren erstmalig in Langzeitstudien im Feld untersucht haben, Frauen waren.
(Biruté Galdika, Jane Goodall, Dian Fossey) Diese stellen noch heute eine Vorbildfunktion für viele jetzige
Forscherinnen dar und nehmen in vorliegenden Arbeitsvorhaben die Rolle einer medialen
Rückkopplungsfigur ein.
Neben der Ausstellungspräsentation des Projektes wird an der Konzeption einer Publikation gearbeitet, in
der die unterschiedlichen Fragmente der Arbeit neu collagiert in Beziehung gesetzt werden und der
künstlerische Arbeitsprozess einem wissenschaftlichen Arbeitsprozess gegenübergestellt wird. |